Der freundliche Feind

Der freundliche Feind
Der freundliche Feind

"Der freundliche Feind", Ebba D. Drolshagen, Verlagsgruppe Weltbild GmbH, 2010

 

Ebba Drolshagen erzählt auf fesselnde Weise, was im 2. Weltkrieg in den von Deutschland besetzten Ländern passiert ist. Dabei konzentriert sie sich hauptsächlich auf die Verhältnisse in Norwegen und Frankreich. Frau Drolshagen, die selbst norwegische Wurzeln hat, beleuchtet die Verhältnisse ungeheuer subtil von allen Seiten und analysiert die Situation genauestens sowohl von der Seite der Besatzer als auch der Besetzten aus. Ihrem Buch liegen gründliche Recherchen zugrunde; sie hat unzählige Interviews mit Zeitzeugen geführt und außerdem deren Tagebücher, Feldpostbriefe und Fotos studiert. Mit großem Einfühlungsvermögen und auch humorvoll zeichnet sie ein eindrucksvolles Bild einer Zeit, von der man sich als Außenstehender und Nachgeborener wenig Vorstellungen machen kann.

 

In den besetzten Ländern war es ein fast unvermeidliches Geschehen, dass sich die Einwohner auf die unterschiedlichste Weise mit den Besatzern arrangiert haben; die deutschen Soldaten erwiesen sich ihrerseits quasi "blind" für das Unrecht ihres Tuns, sondern sahen sich oft als "Beschützer" der eroberten Bevölkerung. Die Autorin stellt fest, dass auf beiden Seiten die Erinnerungen im Lauf der Jahrzehnte - unbewusst - geschönt wurde und dass sowohl Besetzte als auch Besatzer sich allmählich die "politisch korrekte" Rolle im Krieg zurecht gelegt haben.

 

Für die besetzten Bevölkerungen heißt das, dass natürlich nur notgedrungen mit dem Feind fraternisiert oder gar kollaboriert wurde, um überleben zu können; tatsächlich aber hat ausnahmslos jeder in seinem Herzen konsequent Widerstand geleistet. Für die deutschen Soldaten heißt dies, dass jeder von ihnen natürlich nur notgedrungen den Anweisungen der Obrigkeit gefolgt ist, ohne aber der Bevölkerung in den besetzten Ländern tatsächlich Böses tun zu wollen. Die wenigsten deutschen Zeitzeugen identifizieren sich heute noch mit Nazi-Parolen oder berufen sich darauf. Es fällt auf, dass viele deutsche Soldaten die Besatzungszeit als ausgesprochen positiv, ja als "die schönste Zeit ihres Lebens" erlebt haben.

 

Ebba Drolshagen wertet diese Art von selektiver Erinnerung nicht und zeigt viel Verständnis für diesen typisch menschlichen Umgang mit Erinnerungen. Ihr Buch ist stilistisch ausgesprochen lebendig und von Anfang bis Ende ungemein spannend geraten.

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