Ruf der Wildnis

Ruf der Wildnis
Ruf der Wildnis

"Ruf der Wildnis", Jack London, 2011, Anaconda Verlag GmbH

 

Jack Londons Abenteuerroman "Ruf der Wildnis" spielt zur Zeit des Goldrausches in Alaska. Held der Geschichte ist der Hund Buck, ein Mischling aus Bernhardiner und Collie. Buck führt zunächst ein beschauliches Leben bei der Familie eines Richters in Kalifornien. Eines Tages wird er jedoch von einem Angestellten des Richters aus Geldnot verkauft und zuerst nach Kanada, dann nach Alaska verschleppt, da Hunde dort als Arbeitstiere gesucht sind. Dort lernt Buck Grausamkeiten aller Art kennen, zugefügt durch Menschen und andere Hunde. Er wird zum Schlittenhund ausgebildet und nimmt dadurch an Kraft, Gerissenheit und Wildheit zu. Im Lauf der Zeit geht er durch viele, meist grausame, Menschenhände. Schließlich gerät er an den Goldsucher John Thornton, mit dem ihn eine tiefe Freundschaft verbindet. Buck fühlt sich allerdings mehr und mehr von der Wildnis angezogen, und nach dem Tod John Thorntons schließt er sich einem Wolfsrudel an.

 

"Ruf der Wildnis" ist eine schöne Tiergeschichte, angesiedelt in einer großartigen Landschaft. Die Handlung schreitet schnell voran und und wirkt durch die moderne Übersetzung von Bernd Samland sehr frisch. Allerdings neigte Jack London recht stark zur Übertreibung: Buck ist geradezu ein Über-Hund, der sich vom charakterstarken Familienhund zuerst in ein völlig unermüdliches Muskelpaket und schließlich in eine gnadenlose und unbezwingbare Tötungsmaschine verwandelt. Jack London vermenschlichte seinen Helden hoffnungslos. Außerdem erklärte er jede Gefühlsregung, jeden Gedanken, die gesamte Psyche Bucks, aufs genaueste. Diese Art, zu erzählen, wirkt in der heutigen Zeit doch recht angestaubt. Gleichzeitig sind die ausführlich beschriebenen Grausamkeiten schwer zu ertragen. Was aber wirklich stört, ist die von Jack London ungeniert vertretene Ansicht, dass man sich fern der Zivilisation kein Mitgefühl, Erbarmen, keine Gnade oder ähnliche Regungen mehr leisten kann, sei es nun als Mensch oder als Hund. Sondern hier habe einfach nur noch das Recht des Stärkeren zu gelten. Mag sein, dass dies in den rauen Zeiten damals so gewesen ist. Aber dieses überholte Modell kann natürlich keineswegs auf die heutige Zeit übertragen werden. "Ruf der Wildnis" würde ich einem Kind oder Jugendlichen nicht zu lesen geben. Die Botschaft Jack Londons könnte tatsächlich so verstanden werden, dass es im Leben vor allem um puren Egoismus und um Durchsetzung der eigenen Bedürfnisse, ohne Rücksicht auf andere, geht. Klassiker hin oder her: Dies ist trotzdem kein sehr empfehlenswertes Buch.

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