Epigenetik

Epigenetik
Epigenetik

"Epigenetik - Wie Erfahrungen vererbt werden", Bernhard Kegel, 2011, DuMont Buchverlag

 

In seinem Buch „Epigenetik“ berichtet der Biologe Bernhard Kegel über ein neues Forschungsgebiet der Genetik. Er vermittelt dem naturwissenschaftlich interessierten Leser, dass die Vorstellung eines unveränderlich feststehenden Erbguts der Lebewesen überholt ist. Der Bauplan, der in der DNA jeden Lebewesens niedergelegt ist, wird nicht einfach nur in einen Organismus übersetzt, ohne die jeweiligen Umweltbedingungen zu berücksichtigen. Sondern die Umwelt hat weitreichenden Einfluss auf den Bauplan und auf die Art seiner Umsetzung.

 

Dabei steht den Lebewesen eine Reihe von molekularbiologischen Mechanismen zur Verfügung. Noch sind die Genforscher weit davon entfernt, all diese Mechanismen entschlüsselt zu haben, die unter der Überschrift „Epigenetik“ zusammengefasst werden. Epigenetik befasst sich also mit Phänomenen auf molekularbiologischer Ebene, die an den Genen ansetzen, aber nicht die DNA-Sequenz betreffen. Ein Organismus kann z. B. Gene durch die sog. Methylierung, die Anlagerung bestimmter Molekülgruppen, ausschalten. Sie werden dann nicht aktiv.

 

Bernhard Kegel zeigt nun, dass Lebewesen schneller und flexibler auf Veränderungen ihrer Umwelt reagieren können, als bisher angenommen. Bei der Anpassung an neue Umweltbedingungen sind sie nicht allein auf zufällige Mutationen in der DNA-Sequenz angewiesen, sondern verfügen über eine Vielzahl anderer – epigenetischer - Möglichkeiten, ihre Nachkommen bereits in der nächsten oder übernächsten Generation optimal auf ihre Umwelt vorzubereiten. In dem Zusammenhang stellt der Autor eindrucksvoll dar, wie sich z. B. die Qualität der Ernährung von trächtigen Säugetieren auf deren Nachwuchs auswirkt. Karge Nahrung bei der Mutter stellt den Stoffwechsel der Babys auf magere Kost ein. Dieses Phänomen bezeichnet man als vorhersagende adaptive Antwort, die gewissermaßen eine Voraussage über zukünftige Umweltbedingungen darstellt.

 

Die vorhersagende adaptive Antwort funktioniert auch bei uns Menschen. Das Gefährliche daran ist allerdings, dass bei uns die Voraussage über die zukünftigen Umweltbedingungen nicht mehr stimmt. Speziell bei uns wird ein ungeborenes Baby auf magere Zeiten konditioniert, damit das Geburtsgewicht niedrig bleibt, um dadurch die Geburt zu erleichtern. Bei unserem ständigen Überangebot an Essen führt dies später zu übergewichtigen Erwachsenen mit den bekannten Zivilisationskrankheiten.

 

Bernhard Kegel stellt diese Phänomene auf faszinierende Weise dar und steigt dabei tief in die Molekularbiologie ein. Dies macht sein Buch für den Laien zu einer recht schwierigen Lektüre, die das Vorstellungsvermögen herausfordert. Vielleicht wäre es auch möglich gewesen, dem Leser das Wichtigste zu vermitteln, ohne so sehr ins Detail zu gehen. Aber offensichtlich war es dem Autor ein Anliegen, alles ganz genau zu erklären, was er auch sehr gut kann. Dabei bietet das Buch fast keine Abbildungen der Vorgänge auf molekularer Ebene an, sondern Bernhard Kegel erklärt alles verbal. Obwohl er darin sehr talentiert ist, hätten mehr Illustrationen eventuell mehr Klarheit gebracht. „Epigenetik“ ist ein anspruchsvolles Buch, das auf fesselnde Weise zeigt, dass Lebewesen gleichermaßen Produkte ihrer Gene als auch ihrer Umwelt sind.

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