Buddenbrooks

Buddenbrooks
Buddenbrooks

"Buddenbrooks", Thomas Mann, 2011, Fischer Taschenbuch Verlag

 

Thomas Manns Epos über eine Lübecker Kaufmannsfamilie ist einfach eindrucksvoll. Die ausgeprägte Sprachmächtigkeit des Verfassers ist hier, in seinem Erstlingsroman, schon vollständig vorhanden. Die Art, wie Thomas Mann mit Worten ein Gemälde der bürgerlichen Welt des 19. Jahrhunderts malt, ist einfach ein Genuss. Bei der Lektüre wird man gleichsam der Gegenwart enthoben und in die von ihm beschriebene Epoche versetzt. Man fühlt sich wie in einer anderen Welt, was mit Sicherheit den großen Reiz des Buches ausmacht, da man vorübergehend die eigene Realität vollständig ausblenden kann. Wobei gesagt werden muss, dass aus „Buddenbrooks“ klar hervorgeht, dass auch die damalige Zeit kein reines Vergnügen gewesen sein kann – obwohl Thomas Mann mit Sicherheit bis zu einem gewissen Grad die Umstände des 19. Jahrhunderts verklärt und idealisiert dargestellt hat. Viele Härten springen dem Leser aber doch geradezu ins Auge, wie z. B. die damalige Rolle der Frau: Die Art, wie sie von den Eltern bzw. dem Ehemann über ihr Schicksal bestimmen lassen musste, ohne selbst große Einflussmöglichkeiten auf ihren Lebensweg zu haben. Oder wie sehr Frauen damals von der Mittellosigkeit bedroht waren, wenn die Versorgung durch männliche Familienmitglieder wegfiel. Auch die Schicksalsergebenheit in Krankheit und Tod überrascht aus der heutigen Sicht, da wir viel mehr gewohnt sind, gegen Krankheiten anzukämpfen. Was natürlich mit den fortschrittlicheren Heilmethoden unserer Zeit zusammenhängt. Außerdem ist es hochinteressant, in diesem Roman zu lesen, wie die Menschen in der damaligen Zeit ohne die Mittel modernen Komforts ihr Leben verbracht haben, wie sie ihre Freizeit und Arbeitswelt gestalteten, ganz ohne Fernsehen, Telefon, PC usw. Offensichtlich verlief das Leben noch auf eine gemächlichere und langsamere Weise, worum man die Menschen dieser Epoche ein wenig beneiden kann, auch wenn sie auf viele Errungenschaften unserer Zeit verzichten mussten.

 

Thomas Mann beschreibt das Schicksal der Kaufmannsfamilie Buddenbrook innerhalb von vier Generationen, wobei es um den allmählichen wirtschaftlichen Abstieg der Familie geht, an dessen Ende die Liquidation der Firma steht. Es ist insgesamt eine eher melancholische Erzählung, der es aber keineswegs an heiteren Elementen fehlt. Insofern ist „Buddenbrooks“ eine sehr treffende Reflexion der Wirklichkeit, in welcher ebenfalls Ernstes und Heiteres ineinander fließen. In der Zeichnung seiner vielfältigen Charaktere zeigt sich die Meisterschaft und eindrucksvolle Menschenkenntnis Thomas Manns, der mit großem Einfühlungsvermögen eine ganze Reihe von lebensnahen und glaubwürdigen Personen erschafft – was um so staunenswerter ist, als der Verfasser zum Abschluss seines Werkes erst fünfundzwanzig Jahre alt ist. Dieses Buch wartet nicht mit einer spektakulären Handlung und hoher Dramatik auf, sondern gerade die minutiöse Beschreibung kleinster und scheinbar nebensächlicher Ereignisse macht den eigentlichen Reiz aus. Und gerade hier liegt wohl auch die besondere Begabung Thomas Manns.

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Kommentare: 1
  • #1

    Centrifugal Juicer (Montag, 15 April 2013 12:34)

    This is a great blog post! Thank you for sharing!