Das Bücherzimmer

Das Bücherzimmer
Das Bücherzimmer

"Das Bücherzimmer", Rosemarie Marschner, 2004, Deutscher Taschenbuch Verlag

 

Dieser Roman erzählt die Geschichte der jungen Österreicherin Marie Zweisam, die auf dem Land aufwächst, aber aus Not bereits im Alter von vierzehn Jahren eine Stelle als Hausmädchen in der Stadt Linz annehmen muss. In dem vornehmen Haushalt ihrer Arbeitgeber bekommt sie die Gelegenheit, regelmäßig Zeitungen und Bücher zu lesen, was ihr mehr Bildung verschafft, als man einem Hausmädchen damals eigentlich zugestand. Die unehelich geborene Marie muss allerdings ihre Arbeitsstelle aufgeben, als ihre Mutter im Sterben liegt. Später heiratet sie aus Einsamkeit den jungen Bäcker Franz, obwohl sie einen anderen Mann liebt. Dadurch scheinen ihre Chancen vernichtet zu sein, jemals ein selbstbestimmtes Leben zu führen und ihre intellektuellen Bedürfnisse auszuleben. Es wird fesselnd erzählt, wie sich für Marie am Ende doch noch alles zum Guten wendet.

 

Rosemarie Marschner hat ihre Erzählung in einer interessanten Zeit angesiedelt, und zwar kurz vor dem zweiten Weltkrieg. Der Anschluss Österreichs an das deutsche Reich wird am Beispiel der Stadt Linz und des Dorfes St. Peter anschaulich dargestellt. Es ist einfach faszinierend, welche Erwartungen ein Großteil der Bevölkerung an die neuen Machthaber aus Deutschland hatte. Viele Menschen waren wirklich der Meinung, durch das Nazi-Regime würde alles besser werden, eine Meinung, die insofern verständlich ist, dass die Nazis bekanntlich nicht mit falschen Versprechungen sparten. Beklemmend klar zeigt Rosemarie Marschner, wie die Nazis ihr diktatorisches Regime in Österreich installierten, sobald sie es besetzt hatten, und wie sofort die Unterdrückung und Enteignung der jüdischen Bevölkerung begann. Diese fast dokumentarisch anmutende Rahmenhandlung ist beinahe interessanter als die Haupthandlung um Marie Zweisam. Der Charakter der Marie ist so perfekt, dass man beim besten Willen nicht mit ihr warm wird: Sie sieht äußerst vorteilhaft aus, daneben ist sie überaus intelligent, extrem sportlich, charakterlich einwandfrei und von unantastbarer Integrität, was dazu führt, dass sie die braunen Machthaber natürlich sofort durchschaut und ihnen gegenüber unerschrocken ihre, Maries, anständigen Ansichten verteidigt. Dies alles zusammen wirkt dann doch etwas zu dick aufgetragen. Als Gegenspielerin hat die Autorin dafür den überaus abstoßenden Charakter der Emmi Janus erschaffen. Diese Frau ist in ihrer absoluten Skrupellosigkeit und ihrem Opportunismus, der sie sofort in die Arme der Nazi-Machthaber treibt, so widerwärtig, dass es wirklich ein Vergnügen ist, diese beiden Charaktere aufeinanderprallen zu sehen. Dadurch wird „Das Bücherzimmer“ zu einem höchst lesenswerten Buch.

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