Still

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Still

"Still", Susan Cain, 2011, Riemann Verlag München

 

„Still“ ist eines dieser Bücher, die furios anfangen und dann stark nachlassen. Dabei hat Susan Cain immer wieder Geistesblitze, aber durchgehend spannend ist ihr Buch nur am Anfang. Die Autorin versucht zu vermitteln, dass Introversion genauso positiv zu bewerten ist wie Extraversion, auch wenn in unserer Gesellschaft allgemein nur die letztgenannte Eigenschaft anerkannt wird. An sich ist Susan Cains Standpunkt sehr erfreulich. Jeder Introvertierte dürfte begeistert sein. Aber die Art , wie die Autorin ihre Ansichten vermittelt, ist unübersichtlich. Im Text wirft sie immer wieder neue Fragen auf. Anstatt diese Fragen aber einfach zu beantworten, führt sie grundsätzlich erst einmal eine wissenschaftliche Studie an oder zitiert ausführlich jemanden, der sich dazu geäußert hat. Wenn man sich als Leser durch das Fallbeispiel oder die Studie durchgearbeitet hat, hat man oft schon vergessen, auf welche Frage sich das eben Gelesene bezogen hat. In diesem Buch ist es schwierig, den roten Faden zu finden. Auch wenn die Autorin selbst den Überblick über ihr Werk behalten haben mag, macht sie es ihren Lesern durch ihre Weitschweifigkeit schwer. Man hat ein wenig den Eindruck, dass sie mit der umfangreichen Recherchearbeit für ihr Buch glänzen will. Auch gibt sie viel Persönliches preis und folgt damit dem Trend von heute. Mancher Leser will aber womöglich gar nicht so viel Nähe zur Autorin.

 

Wirklich seltsam und schwer nachvollziehbar ist der Test gegen Ende des Buches, der die Fähigkeit einer Person zur Selbstbeobachtung überprüfen soll. Die Autorin stellt die Theorie auf, Extravertierte seien besser zur Selbstbeobachtung fähig als Introvertierte. Dies darf ernsthaft bezweifelt werden. Auch die Umschlaggestaltung der deutschen Ausgabe verwundert etwas: Offensichtlich sollen die beiden abgebildeten Vögel die Gegenpole menschlichen Temperaments symbolisieren. Der Rabe steht hier wohl für Extraversion, die Schneeeule für Introversion. Wer sich mit diesen Tieren näher befasst, wird aber feststellen, dass gerade Raben für ihre Vorsicht bekannt sind. Und sowohl Raben als auch Schneeeulen sind soziale Tiere. Der Symbolgehalt der gewählten Tiere passt irgendwie nicht. Auch die deutsche Übersetzung des Buches lässt zu wünschen übrig: Offensichtlich sind in der Eile viele englische Formulierungen eins zu eins ins Deutsche übertragen worden, anstatt sich die Mühe zu machen, passendere deutsche Formulierungen zu suchen. Was ist z. B. eine „Her-damit-Einstellung“? „Still“ ist ein gut gemeintes Buch, das aber konfus wirkt. Nach der Lektüre fällt es schwer, sich daran zu erinnern, was man eigentlich gelesen hat.

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