In einer deutschen Pension

In einer deutschen Pension
In einer deutschen Pension

"In einer deutschen Pension", Katherine Mansfield, 2012, Büchergilde Gutenberg

 

Die Hintergründigkeit in Katherine Mansfields Kurzgeschichten erschließt sich erst beim zweiten Lesen und genauen Hinschauen. Die weitgereiste Engländerin mit neuseeländischen Wurzeln hat den Deutschen hier ein zwiespältiges Denkmal gesetzt. Zwar sind ihre Erzählungen an die hundert Jahre alt, aber man fragt sich, ob sich seither eigentlich viel geändert hat. Die bürgerliche Gesellschaft, der Katherine Mansfield bei ihren Aufenthalten in der „Sommerfrische“ begegnet ist, existiert in dieser Form nicht mehr. Aber die Eigenschaften, die sich Mansfield mit spitzer Feder zur Zielscheibe nahm, sind damals wie heute die gleichen geblieben. Als Leser mit einiger Sensibilität ist man peinlich davon berührt, wie die von Katherine Mansfield dargestellten Personen agieren. Besonders unangenehm fallen auf: Fremdenfeindlichkeit, Arroganz, Besserwisserei, Chauvinismus. Obwohl diese Mängel durch die Autorin meistens auf amüsante Weise aufgespießt werden, bleibt einem das Lachen im Halse stecken. Man kennt das alles; das Wesen des Menschen scheint sich in den letzten hundert Jahren kaum zum besseren gewandelt zu haben. Faszinierend an Katherine Mansfield ist ihr Talent, die menschlichen Fehler so gekonnt herauszuarbeiten. Weiter beeindruckt sie durch ihre Fähigkeit, mit wenigen treffenden Formulierungen eine bestimmte Atmosphäre zu schaffen. Eine zusätzliche Besonderheit dieser Ausgabe sind die sehenswerten und stilistisch ganz eigenwilligen Illustrationen durch die Künstlerin Joe Villion. Dieses schöne Buch ist zweifellos ein Glanzlicht für jedes Bücherregal.

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