Hiob

Hiob
Hiob

"Hiob", Joseph Roth, 2013, Axel Springer AG, Berlin

 

In diesem Roman erzählt Joseph Roth die Geschichte eines einfachen Mannes, des jüdischen Lehrers Mendel Singer, und seiner Familie. Vorbild für Mendel Singer ist der biblische Hiob, und genau wie Hiob widerfährt dem bescheidenen Lehrer viel Unglück. Mendel Singer lebt mit seiner Frau und den vier Kindern ärmlich in einem kleinen russischen Städtchen. Der älteste Sohn Jonas wird zum Militär eingezogen. Der zweite Sohn, Schemarjah, entgeht diesem Schicksal, indem er nach Amerika flieht. Mendels Tochter Mirjam gibt sich bereits als junge Frau vielen Männern hin, und der jüngste Sohn, Menuchim, leidet an einer scheinbar unheilbaren Behinderung. Die Übersiedelung der Familie nach Amerika, die Schemarjah ermöglicht, bringt nur eine vorübergehende Verbesserung der Lage. Besonders schmerzhaft für Mendel Singer und seine Frau Deborah ist, dass sie ihren jüngsten Sohn, den behinderten Menuchim, nicht mit nach Amerika nehmen können. Die Schicksalsschläge reißen nicht ab, und am Ende verliert Mendel Singer, der Zeit seines Lebens ein gläubiger Jude war, seinen Glauben. Die Geschichte Mendel Singers ist eine starke und bewegende Auseinandersetzung mit der Frage nach der Gerechtigkeit Gottes. Hier werden Fragen aufgeworfen, die sich jeder Mensch stellt, der sich schon einmal Gedanken über Religion gemacht hat. Auch Joseph Roth findet keine schlüssige Antwort auf diese Fragen. Aber mit dem Wunder, das er am Schluss seiner Erzählung geschehen lässt, vermittelt er dem Leser, dass es vielleicht doch eine Gerechtigkeit gibt. Letztendlich muss jeder selbst heraus finden, ob er dieser Vorstellung folgen kann. Als Stilmittel ist das Wunder, das Joseph Roth am Schluss inszeniert, unzulässig, wenn auch sehr anrührend. Nach all dem vorausgegangenen Unglück kann man den plötzlichen Umschwung kaum glauben, er ist unrealistisch. Aber natürlich freut man sich als Leser mit Mendel Singer, der am Ende seines Lebens doch noch Glück hat.

 

Kraftvoll dargestellt in diesem Roman ist Deborah, die Frau Mendel Singers. Sie ist die aktivere Hälfte des Ehepaares, weniger dem Schicksal ergeben als ihr Mann, und versucht, mehr in die Wege zu leiten, um die Lebensumstände zu verbessern. Deborah leidet besonders darunter, den jüngsten Sohn bei der Auswanderung nicht mitnehmen zu können. In Amerika zerbricht sie schließlich am Übermaß des Unglücks. Nur ein Punkt noch bleibt fragwürdig, ob es denn nicht in der Macht der Eltern gestanden hätte, die Tochter Mirjam vor der Verwahrlosung zu retten? Man möchte ihnen vorwerfen, dass sie das Mädchen nicht genügend behütet haben. Erschreckend auch, wie der Verfall der Ehe von Mendel und Deborah dargestellt wird, die sich nach vielen gemeinsamen Jahren nur noch wenig zu sagen haben und allein aus Gewohnheit zusammen bleiben. Joseph Roth versteht es meisterhaft, das Seelenleben seiner handelnden Personen darzustellen. Zugleich ist seine Sprache so anschaulich, kraftvoll und klar, dass es eine Freude ist. „Hiob“ ist ein sehr interessantes Buch.

 

 

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