Stark wie der Tod

Stark wie der Tod
Stark wie der Tod

"Stark wie der Tod", Guy de Maupassant, Büchergilde Gutenberg, 2013

 

 

Guy de Maupassants Roman behandelt ein hoch aktuelles Thema, das Älterwerden. Da uns dieser Vorgang unvermeidlich alle betrifft, ist „Stark wie der Tod“, geschrieben im 19. Jahrhundert, ein zeitloses Buch. Erzählt wird die Geschichte des alternden Malers Olivier, der seit langem eine Affäre mit der verheirateten Anne hat. Die Liebe der beiden ist längst erkaltet. Als Olivier die erwachsene Tochter seiner Geliebten wiedersieht, die sich mehrere Jahre fern von Paris aufgehalten hat, verliebt er sich in sie, das jüngere Ebenbild ihrer Mutter. Annette, die mit einem jungen Mann im passenden Alter verlobt ist, erwidert jedoch Oliviers Gefühle nicht. Minuziös zeigt Maupassant, welche Verwüstungen dieses Geschehen in der Seele des Malers anrichtet, dessen berufliche Karriere sich zudem ihrem Ende entgegen neigt. Ebenso anschaulich zeigt Maupassant, was in Annes Psyche vorgeht, als sie die Liebe ihres Freundes an die eigene Tochter verliert. Der Verlust von Jugend und Schönheit belastet sie zusätzlich schwer. Der Autor zeichnet nicht nur ein beklemmendes Psychogramm zweier alternder Menschen, sondern er entwirft zugleich ein schonungsloses Bild der damaligen High Society, die genauso im Abstieg begriffen ist wie die beiden Protagonisten. Während für Olivier der Weg des Alterns im Untergang mündet, muss Anne alleine die Last ihres vergänglichen Lebens weiter tragen. Dem Leser drängt sich die Frage auf, ob es für Anne nicht leichter gewesen wäre, sich in das Unvermeidliche zu fügen, wenn sie mehr sinnvolle Beschäftigung gehabt hätte. Aber außer Handarbeiten sowie der Pflege von gesellschaftlichen Kontakten und ihrer Schönheit war für die Dame von Welt damals keine andere Aufgabe vorgesehen. So musste sich mit der Zeit zwangsläufig ein Gefühl der Leere und Sinnlosigkeit einstellen. Bei der Lektüre bekommt man ein dankbares Bewusstsein dafür, dass diese Zeiten hinter uns liegen. Über einen Mangel an sinnvoller Beschäftigung kann sich, zumindest in unserem Kulturkreis, hoffentlich niemand beklagen. „Stark wie der Tod“ ist ein ebenso fesselndes wie deprimierendes Buch, da es den Leser mit der unumgänglichen Sterblichkeit konfrontiert. Da uns allen dieser Weg jedoch zwangsläufig vorgezeichnet ist, kann die Auseinandersetzung mit dem Thema kein Schaden sein. Die hervorragenden Illustrationen dieser Ausgabe, die von dem zeitgenössischen Pop-Art-Künstler Jim Avignon geschaffen wurden, versöhnen den Leser mit dem schwierigen Stoff des Buches.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0