Handorakel und Kunst der Weltklugheit

Handorakel und Kunst der Weltklugheit
Handorakel und Kunst der Weltklugheit

"Handorakel und Kunst der Weltklugheit", Baltasar Gracián, 2015, marixverlag

 

 

In diesem Buch geht es nicht etwa, wie der Titel vermuten lässt, um Handlesekunst. Vielmehr handelt es sich um eine Sammlung von Aphorismen aus dem Werk des spanischen Theologen und Philosophen Baltasar Gracián. Der Jesuit hat im siebzehnten Jahrhundert gelebt. Sein „Handorakel“ gibt dem Leser eine Anleitung zum guten Leben an die Hand, ganz ähnlich den zahlreichen Ratgeberbüchern, die heutzutage in Umlauf gebracht werden. Es ist nicht zu übersehen, dass Gracián große Weisheit und Lebenserfahrung besessen hat. Obwohl Gracián Jesuit war, scheinen manche seiner Aussagen direkt der Weisheit des Zen zu entstammen. Andererseits jedoch können viele seiner Erkenntnisse nur als Allgemeinplätze angesehen werden. Die Widersprüchlichkeit von Gracián verwundert ganz außerordentlich: Auf der einen Seite berührt er durch die Tiefe seiner Gedanken, auf der anderen Seite schockiert er den Leser durch Ratschläge, wie man seine Mitmenschen am besten ausnutzt und manipuliert. Insofern ist Graciáns Schlussfolgerung auf der letzten Seite geradezu kurios: Man solle einfach nur immer tugendhaft leben, dann würde man unweigerlich zu einem Heiligen werden. Es reizt wirklich zum Lachen, dass Gracián nach all seinen Aufforderungen, so berechnend wie möglich zu sein, von Tugenden spricht. Worauf er ferner großen Wert legt, ist die Anwendung von Vernunft und Klugheit im Leben. In dieser Hinsicht wiederum kann man ihm nur voll zustimmen. Etwas schade am „Handorakel“ sind die zahlreichen, teilweise auch sinnentstellenden Druckfehler. Andererseits ist das „Handorakel“, allein schon wegen Graciáns sprachlicher Eleganz, ein intellektueller Lesegenuss.